Darf ich vorstellen: Hermann.
Vermutlich jeder kennt diesen alten Miesepeter und Nörgler. Dank Tom Diesbrock’s kleinem und launigem Büchlein „Hermann!“ hat er jetzt einen Namen und ein Aussehen. Auf dem Titelbild erinnert Hermann zugegebenermaßen an das HB-Männchen meiner Jugendzeit und die Nase hat etwas Sams-artiges, aber es ist schon irgendwie nett, Hermann als Persönlichkeit vorgestellt zu bekommen. Ich jedenfalls hatte bisher nie die Idee, meinem inneren Kritiker einen Namen zu verleihen und mir vorzustellen, wie er aussehen könnte. Ich hatte nicht einmal die Idee, mir zu überlegen, ob er männlich oder weiblich ist. Halt – auch ohne mir Gedanken darüber zu machen, erscheint er mir tatsächlich als männliches Wesen. Ich hatte nie das Bedürfnis ihn näher kennen zu lernen, weil er ja eigentlich nur nervt und vor allem, weil er mich ständig ausbremst. Und sich damit nicht gerade beliebt macht. Ihn sich als Person vorzustellen hilft tatsächlich dabei, sich mit ihm auszusöhnen. Und „Hermann“ ist tatsächlich ein sehr passender Name wie ich finde. Aber ich weiß, ich kann ihm jederzeit einen anderen Namen geben, der für mich besser passt – und ich kann ihn mir ganz anders vorstellen, wenn ich will.
Das Buch „Hermann! Vom klugen Umgang mit dem inneren Kritiker“ ist im Patmos Verlag erschienen. Autor ist der Hamburger Coach und Buchautor Tom Diesbrock. Die Illustrationen stammen von Frank Wowra. Diesbrock widmet es „allen Menschen, denen ihr innerer Kritiker das Leben schwermacht“. Es ist in vier Teile gegliedert: Erstens in „Ach, Hermann …“ lernen wir Hermann kennen. Zweitens in „Hermann. Und wie er die Welt sieht“ lernen wir seine Vorgehensweise verstehen. Drittens in „Die Psychologie des inneren Kritikers“ erfahren wir, warum Hermann so ist wie er ist. Und Viertens „Unser Leben mit Hermann“ zeigt, wie wir bisher mit Hermann umgehen und schließlich wie wir unser Verhältnis zu Hermann in Zukunft entspannter gestalten können.
Ganz besonders schätze ich, wie Diesbrock uns charmant und selbstironisch zugleich von seinem persönlichen Hermann berichtet und uns miterleben lässt wie er selber Hermann näher kennengelernt und mit ihm auszukommen gelernt hat. Hier mag ich besonders die Stelle mit Hermanns Kritik an Diesbrocks eigenem Äußeren:
S. 20 „In den Augen meiner Mitmenschen bin ich wohl ein relativ sportlicher, nicht völlig unattraktiver Mann – nicht mehr blutjung, aber noch ganz gut in Schuss. Ich könnte wohl mit meinem Aussehen zufrieden sein. Wenn nicht Hermann mich mit ganz anderen Augen sähe:
Dein Bauch könnte auch straffer sein,
Mann, bist du schon faltig!
Du hattest auch mal mehr
Haare auf dem Kopf. Deinen Hüftspeck ver-
steckst du besser.
Und als i-Tüpfelchen:
Wer könnte dich schon attraktiv
finden? Mit dir will doch keiner mehr
Sex haben.
Das Leben ist vorbei für dich.“
Das kennen wir ja wohl alle – nur fällt es uns dabei eher schwer, uns selbst dabei positiv darzustellen.
Am meisten aber rührt mich die Zeichnung an, auf der eine Person ihren Hermann auf dem Arm hält, dieser wiederum sein Kuscheltier.
Das Buch ist sehr persönlich geschrieben mit einem angenehmen Humor, der zu Herzen geht. Das macht es uns Lesern leicht, sich darauf einzulassen und die Ratschläge zu beherzigen.